Von Lothar W. Pawliczak. Für den „Zukunftskongreß“ der Bundestagsfraktion der Grünen, der am 30. September 2024 in Berlin stattfand, wurden gleich einleitend Mottos vorgegeben, wie man sie von den Grünen erwartet. „Die Welt von Morgen beruht auf den Weichenstellungen von heute.“ (Britta Haßelmann MdB)
Es gelte einen „zukunftsoptimistischen Ansatz“ zu entwickeln, wobei es kein Thema gäbe, „das dringender ist als die Klimakrise“ (Katharina Dröge, MdB). Nun ja, wenn man weiß, daß Entwicklung die Entstehung von Neuem ist und man nicht wissen kann, was in Zukunft Neues entsteht, wird man bei den grünen Weichenstellungen wohl gewisse Zweifel anmelden. Lassen wir das dahingestellt. Mich interessiert vor allem, was die Grünen zur Wirtschaft zu sagen haben. Deren Wirtschaftsminister Robert Habeck fehlte allerdings bei der „Zukunftsbühne Wirtschaft“. Da wurde er auch nicht vermißt, dann er hat ja schon oft genug demonstriert, daß er von Wirtschaft nichts versteht.
Auf dem Podium der grünen Wirtschaftszukunftsbühne wurde fast ausschließlich über die Schuldenbremse gesprochen. Es läßt sich nicht leugnen: Über Jahrzehnte wurden der Erhalt und der Ersatz der Infrastruktur – Straßen, Eisenbahn, Brücken, Schulgebäude usw. – sträflich vernachlässigt. Das Steuergeld wurde woanders ausgegeben – und das nicht nur von der Bundesregierung, sondern auch von den Landesregierungen, Landkreisen und Kommunen. Auf die Frage, wo genau das Steuergeld falsch ausgegeben wurde und immer noch falsch ausgegeben wird und wo man daher einsparen müßte, gab es keine Antwort.
Wir haben offensichtlich über unsere Verhältnisse gelebt. In der DDR war das offensichtlich in den maroden und zerfallenden Innenstädten und Produktionsanlagen, die teilweise noch aus dem 19. Jahrhundert stammten. Der Brückeneinsturz in Dresden ist heute ein offensichtliches Menetekel. Die Idee, man könne Schulden aufnehmen, um diese Versäumnisse zu beheben, zumal ja damit Sachwerte geschaffen werden, die nebst den Schulden den künftigen Generationen vererbt werden, liegt nahe. Der Vorschlag der Grünen dazu ist, die Schuldenbremse so zu modifizieren, daß ein kreditfinanzierter Staatsfonds gebildet werden kann, aus denen staatliche Investitionen getätigt und Privatinvestitionen gefördert werden können.
Da hört man aber wohl gleich die Nachtijall trapsen: Wenn Politik die Wirtschaft fördern will, macht sie das von ihren Bedingungen, von ihren Annahmen, wie die Weichen heute für Morgen gestellt werden sollen, abhängig. Sollte man aber die Entscheidungen nicht besser der Wirtschaft überlassen, die mehr von Wirtschaft versteht als die Politiker? Und letztlich, das lehren viele Blicke in die Wirtschaftsgeschichte, stellt der Markt die Weichen, entscheidet, was sich im Wettbewerb als effektiv durchsetzt.
Und Frau Prof. Dr. Monika Schnitzer, eine der sogenannten Wirtschaftsweisen der Bundesregierung, wies warnend darauf hin, daß es keinen Mechanismus gibt, der verhindert, daß Politiker aus dem Geld, das sie haben, auch Wahlgeschenke verteilen. Ein Infrastrukturfonds könnte dazu führen, daß normalerweise im Haushalsplan vorgesehene Mittel für die Infrastruktur gekürzt und aus diesem Fonds finanziert werden, was wieder Mittel für „Wohltaten“ freimacht. Wie kann sichergestellt werden, daß das Schuldengeld in Bund, Ländern, Landkreisen und Kommunen wirklich nur für Investitionen eingesetzt wird? Martin Greive (Handelsblatt) wies darauf hin, daß aus dem Sondervermögen Bundeswehr teilweise auch Personalkosten, für die diese Mittel eigentlich nicht vorgesehen sind, finanziert werden. Und dann prognostizierte er: Der wahrscheinlich nächste Bundeskanzler Friedrich Merz wird sich „unter großen Schmerzen“ eine Aufweichung der Schuldenbremse abhandeln lassen. Die SPD und die Grünen setzen da ganz offensichtlich auch auf entsprechende Ambitionen der CDU-geführten Landesregierungen.
Okay, mit einem Infrastrukturfonds könnte man leben, wenn …
- gesichert ist, daß damit nur Erhaltungs- und Ersatzinvestitionen zur Beseitigung des Maroden der Infrastruktur getätigt werden.
Und:
- sollte sich Herr Merz dafür im Gegenzug Einsparungen bei Bundesausgaben zusichern lassen, z.B. die Auflösung von mindestens drei Bundesministerien – Bildung und Kultur, weil beides Ländersache ist, und das Entwicklungsministerium für dessen Auflösung man die Argumente in früheren Papieren der FDP finden kann – sowie Abschaffung der Bundesbeauftragten, weil diese Aufgaben die entsprechenden Abteilungen in den Ministerien besser und vor allem politisch neutral erledigen können. Und da könnten einem wohl noch mehr Einsparungsmöglichkeiten einfallen.
In diesem Sinne wäre auf einen „zukunftsoptimistischen Ansatz“ zu hoffen.