Der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld hat ein Buch über Gleichheit geschrieben, das wirklich jeder an ökonomischer und politischer Bildung Interessierte mit großem Gewinn lesen kann.
In englischer Sprache wurde es bereits 2015 publiziert. Inzwischen liegt es dank der Edition Sonderwege auf deutsch vor. Van Creveld bietet eine Geschichte der Gleichheit an, um sie als falsches Versprechen zu entlarven. Ungleichheit ist folglich der Normalzustand, ja mehr noch: Selbst wenn mit Zwang und Gewalt versucht wird, Gleichheit herzustellen, sind doch immer einige wenige, privilegierte Menschen »gleicher« als andere, wie die totalitären Schreckensherrschaften des 20. Jahrhunderts nur allzu eindrücklich vor Augen geführt haben.
Doch auch in rückständigen und archaischen Gesellschaften mit einer kaum ausgeprägten politischen Struktur dominierten immer strenge Hierarchien zwischen Menschen, die sich quasi ad hoc bildeten.
Gleichheit ist deshalb lediglich ein angestrebtes Ideal mit zum Teil verheerenden Folgen. Martin van Creveld hat dennoch keine Kampfschrift gegen die Gleichheit vorgelegt. Denn er weiß gerade vom Militär, wie wichtig »Gruppenkohäsion« ist. Daher plädiert er für eine »ausgewogene Mischung« zwischen Gleichheit, Gerechtigkeit und Freiheit, um Gemeinwesen zu stabilisieren.
Vor Gott und dem Gesetz müßten Menschen gleich sein. Es ist in den Augen van Crevelds richtig, Adlige zur Zahlung von Steuern und Abgaben zu verpflichten. Nur der mit der Industrialisierung einsetzende, historisch nächste Schritt schieße über das Ziel hinaus. Sobald der Versuch unternommen werde, eine sozio-ökonomische Gleichheit zu erreichen, würden politische Führer erkennen, daß dies nur mit der Benachteiligung bestimmter Gruppen möglich sei. Freiheit und Gleichheit sind eben inkompatibel.
Van Creveld beschreibt dabei sehr genau, welche ökonomischen Folgen utopische Gleichheitspläne haben. Sowohl der Sozialismus als auch die modernere Gleichstellungspolitik führten zu einer »chronischen Unterinvestition« und zerstören damit beide Wohlstand, weil Geld in den Sozialstaat fließt statt beispielsweise in die Infrastruktur.
Was lernen wir daraus? Es ist falsch, durch Umverteilung Gleichheit erzwingen zu wollen. Van Creveld scheut sich auch nicht, die Gründe dafür zu benennen. So weist er offen auf die IQ-Unterschiede zwischen Individuen und ganzen Populationen hin. Statt eine »sozialistischen Gleichheit«, wie er es nennt, sollte es also das Ziel sein, eine »liberale Gleichheit« umzusetzen, die auf einer gleichen Stellung vor dem Gesetz beruht.
Für das Steuersystem würde dies etwa bedeuten, Reichen keine Schlupflöcher mehr zu bieten, aber eben zugleich den Versuch zu unterlassen, sie besonders stark zur Kasse zu bitten. Trotzdem wird es vermutlich immer Menschen geben, die sich vom Versprechen der Gleichheit überwältigen lassen. Zum Nationalsozialismus schreibt van Creveld: »Die Verlockung der Gleichheit war genau das, was die Nationalsozialisten von der alten deutschen Rechten unterschied – einen Großteil ihrer Anziehungskraft verdankten sie dieser Idee.«
Das sollte gerade den linken Gleichheitsfanatikern von heute zu denken geben, aber auch die patriotische Opposition sollte sich kritisch fragen, ob Gleichheit für sie ein Marketinginstrument (oder sogar noch mehr) sein darf.