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Konservative Ökonomie: Scruton schlägt Pflöcke ein

War­um erscheint ein Werk mit dem Titel „Von der Idee, kon­ser­va­tiv zu sein“ im Finanz­buch­ver­lag? Gleich vor­weg: Es liegt nicht dar­an, daß der Autor Roger Scrut­on ein ver­kapp­ter Libe­ra­ler ist. Viel­mehr hat das durch­aus nach­voll­zieh­ba­re phi­lo­so­phi­sche Gründe.

Für Scrut­on, den wohl elo­quen­tes­ten Kon­ser­va­ti­ven in ganz Euro­pa, steht der „Oikos“ im Mit­tel­punkt sei­nes Den­kens. Der Kon­ser­va­ti­vis­mus dre­he sich schließ­lich um die Fra­ge der Seß­haf­tig­keit. Wie kön­nen wir eine funk­tio­nie­ren­de Gemein­schaft auf­bau­en? Wie schaf­fen wir uns einen gemein­sa­men Ort und eine gemein­sa­me Lebens­wei­se, ohne schwer­wie­gen­de Umwelt­schä­den anzurichten?

Ant­wor­ten dar­auf könn­ten wir nur mit Hil­fe einer „Phi­lo­so­phie der Zuge­hö­rig­keit“ fin­den. „Wir sind ver­bun­den mit Din­gen, die wir lie­ben und vor dem Ver­fall bewah­ren wol­len. Aber wir wis­sen auch, daß sie nicht ewig Bestand haben wer­den“, betont der eng­li­sche Oxford-Professor.

Aus­ge­hend davon wid­met er sich der Wahr­heit im Natio­na­lis­mus, Sozia­lis­mus, Kapi­ta­lis­mus, Libe­ra­lis­mus, Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus, Umwelt­schutz, Inter­na­tio­na­lis­mus und Kon­ser­va­tis­mus. Scrut­on gesteht also jeder Ideo­lo­gie einen wah­ren Kern zu. Er erkennt die guten Absich­ten von poli­tisch Akti­ven, d.h. um das Gemein­wohl bemüh­ten Men­schen, aus­drück­lich an, kri­ti­siert aber auch sehr deut­lich, wo sie sich jeweils irren.

Bei­spiel Sozia­lis­mus: Scrut­on kann sich mit einer „kon­ser­va­ti­ven Vor­stel­lung von Sozi­al­po­li­tik“ anfreun­den, weil es die Wahr­heit des Sozia­lis­mus sei, daß „wir von­ein­an­der abhän­gig sind und es unse­re Auf­ga­be ist, die Vor­tei­le der gesell­schaft­li­chen Mit­glied­schaft auch für jene erreich­bar zu machen, die es nicht geschafft hat­ten, sie aus eige­ner Kraft für sich zu erwerben“.

Doch die­ses Ver­ständ­nis von Soli­da­ri­tät dür­fe eben kei­ne „Klas­se von Bür­gern“ her­vor­brin­gen, „die nie­mals von ihrer Arbeit gelebt haben und auch kei­nen ken­nen, der es je getan hät­te“. Rech­te und Pflich­ten müs­sen immer in einem aus­ge­wo­ge­nen Ver­hält­nis vor­zu­fin­den sein. Die Sozi­al­sys­te­me kön­nen zudem kein offe­nes Bud­get haben. Erst wenn etwas erwirt­schaf­tet wur­de, läßt sich dar­über nach­den­ken, wel­cher Anteil davon für sozia­le Zwe­cke ein­zu­set­zen ist.

Wie Scrut­on erkennt, haben wir nun aber das Phä­no­men, daß in der Demo­kra­tie der­je­ni­ge Wah­len gewinnt, der am meis­ten ver­spricht. Sei­ne Sozia­lis­mus­kri­tik mün­det daher in eine Demo­kra­tie­kri­tik. Mit die­sem Weit­blick geht er auch an den Kapi­ta­lis­mus her­an und erklärt: „Sicher­lich haben die pri­va­ten Geschäf­te auf der loka­len Ebe­ne all die vor­teil­haf­ten und frei­heits­för­der­li­chen Eigen­schaf­ten, die die Liber­tä­ren beto­nen. Doch sobald wir uns über die­se Ebe­ne erhe­ben und die Akti­vi­tä­ten der gro­ßen Kon­zer­ne betrach­ten, ver­än­dert sich das Bild.“

Für den Ein­zel­nen bedeu­te dies nun: Er kann „der Aus­brei­tung des Waren­cha­rak­ters“ nicht ent­rin­nen, aber „durch guten Geschmack, die Lie­be zur Schön­heit und den Sinn für Anstand“ die rich­ti­gen Pro­duk­te bevorzugen.

Roger Scrut­on: Von der Idee, kon­ser­va­tiv zu sein. Mün­chen 2019.

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