Verein Journalismus und Wissenschaft

Deutschland muss zu Verstand kommen – auch handelspolitisch

Das Ver­hält­nis Deutsch­lands aber auch das der Euro­päi­schen Uni­on zu den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka muss zumin­dest in öko­no­mi­scher Hin­sicht auf den Prüf­stand. Wäh­rend die USA unter ihrem lin­ken Prä­si­den­ten poli­tisch han­deln, hän­gen beson­ders die Deut­schen am Traum einer trans­at­lan­ti­schen Freund­schaft. Das ist fatal und blen­det Rea­li­tä­ten aus.

Als Sie­ger­macht des letz­ten Welt­krie­ges kön­nen es sich die US-Ame­ri­ka­ner völ­lig unbe­fan­gen leis­ten, ihre öko­no­mi­schen Inter­es­sen geo- und han­dels­po­li­tisch für die Haupt­sa­che zu erklä­ren. Trumps „Ame­ri­ca First“ wur­de von Joe Biden und sei­ner Admi­nis­tra­ti­on links auf­ge­la­den und als wirt­schaft­li­ches Leit­mo­tiv adap­tiert. Damit ver­fol­gen die USA, wie eigent­lich immer schon, eine Poli­tik, die aus­schließ­lich ame­ri­ka­ni­sche Inter­es­sen zum Inhalt hat.

Auch Ziel­set­zun­gen im altru­is­ti­schen Kleid sind am Ende des Tages nur den Ver­ei­nig­ten Staa­ten dien­lich. Beson­ders Deutsch­land sieht den­noch über die Jah­re der Umer­zie­hung nach dem Zwei­ten Welt­krieg in den Ame­ri­ka­nern einen Freund und Befrei­er, einen Part­ner auf der Basis gemein­sa­mer Wer­te. Die­se Befind­lich­keit ist in Washing­ton zwar als nütz­lich erkannt, aber ins eige­ne Reper­toire des poli­ti­schen Han­delns nicht über­nom­men. Im Gegen­teil, Maß­stab ist die Nutz­bar­keit für das eige­ne Land.

Genau aus die­sem küh­len Grund haben die Ame­ri­ka­ner nun auch das mil­li­ar­den­schwe­re US-Pro­gramm zur För­de­rung kli­ma­freund­li­cher Tech­no­lo­gien in Ame­ri­ka initi­iert. Bei die­sem Pro­gramm han­delt es sich um einen Inves­ti­ti­ons­plan im Umfang von rund 369 Mil­li­ar­den Dol­lar, der offi­zi­ell „Infla­ti­on Reduc­tion Act“ (IRA) genannt wird. Mit dem Geld­pa­ket, dar­an geknüpf­ten Sub­ven­tio­nen und Steu­er­gut­schrif­ten soll ein neu­es indus­tri­el­les Öko­sys­tem in stra­te­gi­schen Sek­to­ren für sau­be­re Ener­gie auf­ge­baut wer­den. Unter­neh­men erhal­ten jen­seits des gro­ßen Tei­ches Anrei­ze, US-Pro­duk­te zu ver­wen­den und in den USA zu produzieren.

Nun for­dert die EU-Kom­mis­si­ons­prä­si­den­tin Ursu­la von der Ley­en (CDU) einen Kurs­wech­sel bei der Inves­ti­ti­ons­po­li­tik in Euro­pa. Füh­ren­de EU-Poli­ti­ker sind schein­bar erwacht und fin­den IRA „dis­kri­mi­nie­rend“ und hal­ten die ame­ri­ka­ni­sche Akti­on als unver­ein­bar mit den Regeln der Welt­han­dels­or­ga­ni­sa­ti­on (WTO). Bun­des­fi­nanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lind­ner (FDP) mein­te gar zur „Welt am Sonn­tag“: „Die USA sind unser Wer­te­part­ner, aber zugleich gibt es eine enorm pro­tek­tio­nis­ti­sche Wirtschaftspolitik.“

Weil die deut­sche mit der ame­ri­ka­ni­schen Wirt­schaft eng ver­bun­den sei, dür­fe es nicht zu einem Han­dels­krieg kom­men, die eige­ne Wett­be­werbs­fä­hig­keit sei zu über­prü­fen. Ähn­li­che Wort­hül­sen schwap­pen aus Brüs­sel durch die Zei­tun­gen und elek­tro­ni­schen Medi­en. Von der Ley­en mein­te, die EU-Vor­schrif­ten für öffent­li­che Inves­ti­tio­nen müss­ten gelo­ckert wer­den, um Wett­be­werbs­nach­tei­le abzu­fe­dern. Zudem brau­che es zusätz­li­che euro­päi­sche Finanz­mit­tel zur För­de­rung sau­be­rer Tech­no­lo­gien und eine Koope­ra­ti­on mit den USA bei­spiels­wei­se bei der Fest­le­gung von Indus­trie­stan­dards und beim Ein­kauf kri­ti­scher Rohstoffe.

Außer­dem müs­se das bereits bestehen­de Pro­gramm REPowerEU wei­ter aus­ge­baut wer­den. Die­ses ermög­licht ins­be­son­de­re Inves­ti­tio­nen in Ener­gie­ef­fi­zi­enz, in erneu­er­ba­re Ener­gien und in Infra­struk­tur der Ener­gie­uni­on. Laut finanzen.at soll­te dann mit­tel­fris­tig „über den bereits im Sep­tem­ber von ihr vor­ge­schla­ge­nen Sou­ve­rä­ni­täts­fonds Geld für vor­ge­la­ger­te For­schung, Inno­va­tio­nen und stra­te­gi­sche Pro­jek­te bereit­ge­stellt wer­den“. Ein „Club für kri­ti­sche Roh­stof­fe“ mit US-ame­ri­ka­ni­scher Betei­li­gung soll laut von der Ley­en das chi­ne­si­sche Mono­pol bei Pro­duk­ti­on und Ver­ar­bei­tung von bestimm­ten kri­ti­schen Roh­stof­fen über­win­den. Man müs­se nun auf den zuneh­men­den welt­wei­ten Wett­be­werb um sau­be­re Tech­no­lo­gien reagieren.

Die­ser grund­sätz­lich lobens­wer­te Ansatz, im Grun­de genom­men eine „Bin­se“ öko­no­mi­schen Han­delns, könn­te aller­dings nach finanzen.at „jede Glaub­wür­dig­keit in den Han­dels­be­zie­hun­gen zu ande­ren Part­nern“ in Fra­ge stel­len. Die aktu­el­le Beto­nung einer zu erhal­ten­den Wett­be­werbs­fä­hig­keit der EU im geo­po­li­ti­schen Wett­be­werb ist natür­lich legi­tim, lässt aber das bun­des­deut­sche Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­setz in schrä­gem Licht erschei­nen. Immer­hin lie­ße sich von Sei­ten der aus­län­di­schen Part­ner eben­falls ein gewis­ser pro­tek­tio­nis­ti­scher Ansatz argu­men­tie­ren, wäh­rend Geg­ner hier eine kla­re, grün-ideo­lo­gi­sier­te Wett­be­werbs­brem­se erkennen.

Wäh­rend also die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on den Erhalt der Wett­be­werbs­fä­hig­keit for­dert, die Bun­des­re­pu­blik den Wett­be­werb erschwert und die Finanz­märk­te vom grü­nen Cha­rak­ter der US-ame­ri­ka­ni­schen Sub­ven­ti­ons­po­li­tik pro­fi­tie­ren wer­den, blei­ben kon­kre­te Fort­schrit­te nach dem drit­ten EU-ame­ri­ka­ni­schen Minis­ter­tref­fen des so genann­ten Han­dels- und Tech­no­lo­gie­rats aus.

Die Süd­deut­sche Zei­tung berich­tet: „Bei­de Sei­ten gaben […] ledig­lich eine gemein­sa­me Erklä­rung ab, in der sie zusag­ten, kon­struk­tiv an einer Lösung zu arbei­ten. ‚Wir erken­nen die Beden­ken der EU an und unter­strei­chen unse­re Ver­pflich­tung, sie kon­struk­tiv anzu­ge­hen‘, hieß es. EU-Han­dels­kom­mis­sar Val­dis Dom­brovskis bezeich­ne­te das neue, 430 Mil­li­ar­den Dol­lar schwe­re US-Gesetz mit dem Namen ‚Infla­ti­on Reduc­tion Act‘ als dis­kri­mi­nie­rend und dräng­te dar­auf, noch vor Jah­res­en­de Ände­run­gen anzu­ge­hen. Das Gesetz bie­tet Auto­käu­fern unter ande­rem Steu­er­gut­schrif­ten in Höhe von 7500 Dol­lar für den Neu­kauf von in Nord­ame­ri­ka her­ge­stell­ten Elek­tro­au­tos. […] Die EU befürch­tet, dass das Gesetz den Euro­pä­ern erheb­lich scha­den wird.“ Denn über die vie­len Anrei­ze wür­den Inves­ti­tio­nen ins Land gelockt und ande­re Län­der leer ausgehen.

Anlass des euro­päi­schen „Erwa­chens“ dürf­te das Pro­jekt des „Green­Deal“ sein, dem trans­at­lan­tisch in jedem Fall gro­ße Kon­kur­renz ent­steht. Die tra­di­tio­nell ame­ri­ka­nisch behei­ma­te­ten Haupt­ak­teu­re der Finanz­märk­te sehen, das ist sicher, in den USA und einer dort pro­spe­rie­ren­den „grün“ lackier­ten Wirt­schaft ein gro­ßes Poten­ti­al. Von der Ley­ens Pro­jek­ti­ons­flä­che des wirt­schafts­po­li­ti­schen Irr­sinns könn­te deut­lich schnel­ler als von Kri­ti­kern pro­gnos­ti­ziert in finan­zi­el­le Not geraten.

Hen­ry Kis­sin­ger schrieb in sei­nen Memoi­ren über die Ame­ri­ka­ner hell­sich­tig: „Unse­re ange­bo­re­ne Nei­gung zur Direkt­heit, zur offe­nen, laut­star­ken Poli­tik und unser Miß­trau­en gegen­über euro­päi­schen Ver­hal­tens­wei­sen und kon­ti­nen­ta­len Eli­ten machen uns unge­dul­di­ger gegen­über den ver­fei­ner­ten Metho­den der euro­päi­schen Diplo­ma­tie und ihrer Ten­denz, unkla­re Kom­pro­mis­se zu schließen.“

Des­sen ein­ge­denk wird es für Euro­pa Zeit, mit Kis­sin­gers Selbst­re­fle­xi­on zu kal­ku­lie­ren und sich nicht über eine mora­li­sie­ren­de und plan­wirt­schaft­li­che Poli­tik selbst auszubremsen.

(Bild: Ursu­la von der Ley­en, Euro­pean Par­lia­ment, flickr, CC BY 2.0)

Der Autor, Mar­kus Buch­heit (AfD), ist tätig als Abge­ord­ne­ter im Euro­päi­schen Parlament.

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