Verein Journalismus und Wissenschaft

E‑Fuels, ausbleibende Technologieoffenheit und die Zukunft der deutschen Autoindustrie

Inner­halb weni­ger Jah­re wol­len die Euro­päi­sche Uni­on und Ampel-Koali­ti­on in Deutsch­land auf Elek­tro­au­tos umstel­len. Mehr noch: Sie pro­pa­gie­ren eine zügi­ge „Ver­kehrs­wen­de“, obwohl Pend­ler in länd­li­chen Regio­nen drin­gend auf ihr Auto ange­wie­sen sind und nicht zu erwar­ten ist, dass bald in allen Dör­fern im Zehn­mi­nu­ten­takt ein Bus- oder Bahn­an­schluss besteht. Wie soll es also wei­ter­ge­hen? Und was ist der eigent­li­che Plan hin­ter die­ser Poli­tik? Dr. Dirk Spa­ni­el, der ver­kehrs­po­li­ti­sche Spre­cher der AfD-Bun­des­tags­frak­ti­on, gibt Antworten.

Herr Dr. Spa­ni­el, ab 2035 sol­len in der EU kei­ne Ver­bren­nungs­mo­to­ren mehr zuge­las­sen wer­den, obwohl man ja eigent­lich mit E‑Fuels weit­ge­hend CO2-neu­tral Autos nut­zen könn­te. Steckt hin­ter die­sem Teil der soge­nann­ten „Trans­for­ma­ti­on“ viel­leicht etwas ande­res als das Klima-Argument?

Dr. Dirk Spa­ni­el: Ganz klar, mit syn­the­ti­schen Kraft­stof­fen – oder E‑Fuels – könn­ten ver­bren­nungs­mo­to­ri­sche Autos CO2-neu­tal wei­ter­be­trie­ben wer­den. Zudem bestün­de bereits das Ver­sor­gungs­netz­werk über die Tank­stel­len und in Zei­ten von extrem gestie­ge­nen Ener­gie­kos­ten kommt auch die­ses Pro­blem nicht in der Form zum Tra­gen, wie es E‑Au­to-Besit­zer im Moment zu spü­ren bekommen.

Gleich­zei­tig leh­nen die Grü­nen und ihre Steig­bü­gel­hal­ter in den ande­ren Par­tei­en E‑Fuels trotz die­ser sehr guten Argu­men­te strikt ab. Das zeigt mir, dass hier kei­ne ratio­na­len Grün­de dahin­ter­ste­cken, son­dern ideo­lo­gi­sche. Das Kli­ma-Argu­ment ist dabei zum Teil sicher vor­ge­scho­ben. In jedem Fall wird der Indi­vi­du­al­ver­kehr immer teu­rer. Das, was wir in den letz­ten Jahr­zehn­ten als Frei­heit erlebt haben, selbst dar­über zu ent­schei­den, wann, wo und wie wir uns fort­be­we­gen, wird für vie­le Men­schen nicht mehr leist­bar sein – es sei denn, wir kön­nen uns euro­pa­weit wirk­sam gegen die­se Poli­tik der Unfrei­heit stellen.

Was wäre aus Ihrer Sicht die not­wen­di­ge Kon­se­quenz für die bür­ger­li­chen Kräf­te in den euro­päi­schen Staaten?

Mobi­li­tät muss bezahl­bar blei­ben und man muss die Infra­struk­tur für die­se Art von Mobi­li­tät aus­bau­en, die am effi­zi­en­tes­ten und am res­sour­cen­schon­ends­ten ist. Wenn man die Gesamt­kos­ten berück­sich­tigt und auch den Umwelt­aspekt mit kal­ku­liert, kommt man am Stra­ßen­ver­kehr nicht vor­bei. Inves­ti­tio­nen in Infra­struk­tur und in den Stra­ßen­ver­kehr zu len­ken, führt zu effi­zi­en­ter Mobi­li­tät und zu gro­ßem volks­wirt­schaft­li­chem Nut­zen. Das wäre die ers­te Maßnahme.

Der zwei­te Punkt ist schlicht und ergrei­fend, die Tech­no­lo­gie­of­fen­heit umzu­set­zen. Und zwar indem man syn­the­ti­sche Kraft­stof­fe als CO2-neu­tral aner­kennt. Alles Wei­te­re wird dar­aus fol­gen. Es wird eine Wett­be­werbs­si­tua­ti­on um die bes­te Tech­nik geben. Und da wird auch das Elek­tro­au­to unter Druck und Kos­ten­druck kom­men. Damit wer­den wir genau den Wett­be­werb schaf­fen, den wir brau­chen. Ich per­sön­lich glau­be, dass sich der Ver­bren­nungs­mo­tor schluss­end­lich durch­set­zen wird.

Die bun­des­deut­sche FDP ist sei­ner­zeit unter ande­rem mit der For­de­rung nach Tech­no­lo­gie­of­fen­heit bezüg­lich der Moto­ren­tech­nik in den Wahl­kampf gezo­gen. Was ist davon jetzt in der Regie­rungs­ver­ant­wor­tung übrig geblieben?

Die FDP hat den Erhalt des Ver­bren­nungs­mo­tors und die Ent­wick­lung syn­the­ti­scher Kraft­stof­fe sogar in den Koali­ti­ons­ver­trag geschrie­ben. Trotz­dem kön­nen – oder wol­len? – sie sich nicht durch­set­zen. Auf euro­päi­scher Ebe­ne hat FDP-Ver­kehrs­mi­nis­ter Wis­sing voll­kom­men ver­sagt. Wären Tech­no­lo­gie­of­fen­heit und E‑Fuels nicht nur eine Wahl­kampf­phra­se gewe­sen, dann lie­ßen sich die­se Punk­te auch auf euro­päi­scher Ebe­ne durch­set­zen. Die Rol­le Deutsch­lands in der EU gibt das jeden­falls her.

Nun ist rein rech­ne­risch im EU-Par­la­ment eine bür­ger­li­che Mehr­heit mög­lich. Was ist der Hin­ter­grund, war­um die ande­ren Staa­ten bei der Trans­for­ma­ti­on und dem Ende des Ver­bren­nungs­mo­tors mitmachen?

Tat­säch­lich ist es so, dass Deutsch­land hier mas­si­ven Druck aus­übt. Eine Ver­tre­te­rin des fran­zö­si­schen Ver­kehrs­aus­schus­ses, die ich expli­zit dazu befrag­te, hat mir als Ant­wort gege­ben, man habe die Ent­schei­dungs­vor­la­gen gar nicht im Detail bewer­tet. Man gehe davon aus, dass die Deut­schen schon wis­sen, was sie tun.

Wenn die Auto­in­dus­trie zumin­dest in Deutsch­land an die Wand fährt, wird das auch poli­ti­sche Aus­wir­kun­gen in Euro­pa haben?

Deutsch­land wird durch die­se gan­ze Ent­wick­lung immer mehr zu einer Trans­fer­ge­sell­schaft. Trans­fer­ge­sell­schaf­ten nei­gen zu Ver­staat­li­chun­gen. Und das ist genau das, was die Euro­päi­sche Uni­on ja eigent­lich anstrebt: mehr staat­li­che Kon­trol­le, mehr Trans­fer­leis­tun­gen. Und wenn Deutsch­land auf euro­päi­scher Ebe­ne die­sen Weg gehen muss, weil es sel­ber eben die­sen Weg für sein eige­nes Land gegan­gen ist, dann ist das durch­aus im Inter­es­se der Brüs­se­ler Büro­kra­ten und nicht unbe­dingt im Inter­es­se der frei­heit­li­chen euro­päi­schen Parteien.

Wie sehen Sie die Zukunft der deut­schen Autoindustrie?

Die Zukunft der Auto­in­dus­trie muss man unter­schied­lich betrach­ten. Einer­seits gibt es Groß­kon­zer­ne, die ihre Wert­schöp­fung in Staa­ten mit bes­se­ren Bedin­gun­gen ver­la­gern wer­den. Das führt zu einem mas­si­ven Arbeits­platz­ab­bau in Deutsch­land und Euro­pa – aber nicht unbe­dingt zu nega­ti­ven Geschäfts­er­geb­nis­sen der jewei­li­gen Unternehmen.

Dann gibt es aber noch die vie­len Zulie­fer­be­trie­be, die oft im Mit­tel­stand ange­sie­delt sind und nicht unbe­dingt mehr als 200 Mit­ar­bei­ter haben. Die wer­den nicht ein­fach ins Aus­land ver­la­gern kön­nen, son­dern im Zwei­fel schlie­ßen. Im End­ef­fekt wird ein Teil der Wert­schöp­fung in Euro­pa dann noch stär­ker im nicht pro­du­zie­ren­den Gewer­be statt­fin­den. Was wie­der­um zu einer hohen öko­no­mi­schen Vola­ti­li­tät füh­ren wird, da staat­lich regu­lier­te Sze­na­ri­en vor­herr­schen und eine der Säu­len Rese­arch und Deve­lo­p­ment sein wird. Doch man kann nur Din­ge ent­wi­ckeln, deren Pro­duk­ti­ons­pro­zes­se man auch ver­steht und beherrscht.

Und wenn die Pro­duk­ti­ons­pro­zes­se nicht mehr in Euro­pa statt­fin­den, dann wird es ein gro­ßes Pro­blem wer­den, das Brut­to­in­lands­pro­dukt in Euro­pa mit Dienst­leis­tun­gen auf­recht zu erhal­ten. Einen ähn­li­chen Effekt gab es auch in Großbritannien.

Nun gibt es ja in Ita­li­en, Frank­reich, Spa­ni­en, Tsche­chi­en und ande­ren euro­päi­schen Staa­ten auch gro­ße Akteu­re mit einer rele­van­ten Auto­in­dus­trie. Gel­ten die oben beschrie­be­nen Pro­ble­me vor allem für Deutsch­land oder auch für die­se Länder?

Die Genann­ten haben den Vor­teil, dass die Ener­gie­kos­ten dort gerin­ger sind als in Deutsch­land. Das heißt, die kön­nen zum Teil von den Ver­la­ge­run­gen inner­halb Euro­pas pro­fi­tie­ren. Aber der Ver­la­ge­rung außer­halb Euro­pas kön­nen sie nicht ent­ge­gen­wir­ken und sind davon genau­so betroffen.

Herr Dr. Spa­ni­el, dan­ke für das Gespräch.

Dr. Dirk Spa­ni­el ist seit 2017 Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ter für die Alter­na­ti­ve für Deutsch­land. Er ist ver­kehrs­po­li­ti­scher Spre­cher der AfD-Bun­des­tags­frak­ti­on. Nach dem Abitur stu­dier­te er in Claus­thal-Zel­ler­feld Che­mie­in­ge­nieur­we­sen und an der RWTH Aachen Maschi­nen­bau. Pro­mo­ti­on 2003. Spa­ni­el lebt mit sei­ner Fami­lie in Stutt­gart und in Ber­lin. Davor Aus­lands­auf­ent­hal­te in Detroit (USA) und Sao Pau­lo (Bra­si­li­en). Zuletzt arbei­te­te Spa­ni­el in der Ent­wick­lung eines gro­ßen Automobilherstellers.

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