Die ohnehin gescheiterte Energiewende der Angela Merkel (CDU), die protektionistische Agenda der EU nicht nur in der Energie- und Wirtschaftspolitik und das Herumgeeiere des bundesdeutschen Lobby-geleiteten Wirtschaftsministers beim Thema Industriestrompreis führen den Standort Deutschland in eine Phase der Deindustrialisierung. Doch wie dick wird es wirklich kommen?
Es war im Dezember vergangenen Jahres, als DIHK-Präsident Peter Adrian vor einer zunehmenden Verlagerung der deutschen Industrieproduktion ins Ausland warnte. Schon im September 2022 hatte man in einer DIHK-Vollversammlung über eine Krisen-Resolution die schnelle Ausweitung des Energieangebots gefordert, denn die „schlimmste Energiekrise seit Jahrzehnten bedroht in kürzester Frist die Existenz einer täglich wachsenden Zahl von Betrieben aus allen Branchen und damit auch eine Vielzahl von Arbeitsplätzen. Unsere Wirtschaftsstruktur und unser Wohlstand in Deutschland geraten zunehmend in Gefahr – Produktionsstopps, Wertschöpfungsverluste und die Verlagerung von Produktion ins Ausland sind die Folgen.“
Auch der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, ging an die Öffentlichkeit und teilte der Deutschen Presse Agentur (DPA) mit, der Standort Deutschland habe zahlreiche „Handicaps” und verliere an Wettbewerbsfähigkeit. Noch deutlicher wurde Nikolas Stihl, CEO des deutschen Motorsägenherstellers Stihl, ebenfalls im Dezember 2022. Er meinte: „Die Gefahr einer Deindustrialisierung ist nicht von der Hand zu weisen. Der deutsche Standort könnte irgendwann einen Wendepunkt erreichen, der sich stark negativ auf die Bereitschaft zum Unternehmertum hierzulande auswirken würde.“
Stihl meinte, dass dieser Punkt erreicht sei, wenn Unternehmen nicht mehr in der Lage seien, in Deutschland – einem schon immer relativ teuren Wirtschaftsstandort – wettbewerbsfähig zu produzieren. Damit nicht genug, warnte der Handelsverband Deutschland (HDE) im Oktober 2022 in einem Brief an den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck davor, dass circa 16.000 Unternehmen vor der Insolvenz stünden. Der Handelsverband vertritt nach eigenen Angaben „Unternehmen aller Branchen, Größenklassen und Vertriebswege mit rund 100.000 Betriebsstätten“. Diese „stehen für rund 75 % des Einzelhandelsumsatzes in Deutschland“. HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth betonte: „Die Auswirkungen der Energiekrise auf den Einzelhandel sind extrem. Gefragt ist jetzt rasches politisches Handeln, um die hohen Energiepreise bewältigen zu können.“
Dreh- und Angelpunkt der Warnungen und Prognosen sind also ganz offensichtlich die Energiekosten in Deutschland. Das planwirtschaftliche Ziel der Grünen in Berlin und der grün lackierten EU-Kommission in Brüssel, die CO2-Emissionen so zu senken, um CO2-Neutralität zu erreichen, wird in Deutschland aber auch an anderen Hochindustriestandorten zur Deindustrialisierung führen. Nur billig zur Verfügung stehende Energie bringt der Wirtschaft in jeder Branche klare internationale Wettbewerbsvorteile.
Das Statista Research Department veröffentlichte am 20. April diesen Jahres die Strompreise für Industriekunden in Europa. Demnach bezahlten schwedische Industriekunden 2020 mit einem jährlichen Stromverbrauch zwischen 20.000 bis 70.000 Megawattstunden rund 5,1 Cent pro Kilowattstunde Strom: „Bei derselben verbrauchten Menge war der Strompreis für deutsche Industriekunden mit 12,67 Cent pro Kilowattstunde deutlich höher.“
Angesichts der Tatsache, dass die deutsche Industrie knapp die Hälfte des gesamten Stroms in Deutschland benötigt, stellt man sich die Frage, wie die ganze CO2-Neutralitätswahn Realität werden soll. Das geht nur unter Verlust von ganzen Branchen und ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Denn Energie wird immer teurer, der Strombedarf höher, schließlich entpuppen sich gerade die energiepolitisch von den Grünen gehypten Technologien und Konzepte als Treiber. In seiner Strompreisprognose nimmt das Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos an: „Der Stromverbrauch nimmt ab Mitte der 20er Jahre deutlich zu. Treiber bis 2030 hierfür sind: − Elektromobilität (16 Mio. batterieelektrische Fahrzeuge) − Wärmepumpen (6,5 Mio. Stück) − Wasserstoffproduktion (37 TWh).“
Nun hat der Wirtschaftsminister die Idee eines „Brückenstrompreises“ geboren, der bis 2030 gelten und energieintensive Industriebranchen wie Chemie, Stahl, Metall, Glas oder Papier unterstützen soll. Aus dem Wirtschaftsministerium wurde verlautbart, dass bei diesem Modell des Industriestrompreises die bezuschusste Strommenge auf 80 Prozent begrenzt werden wird. Für die restlichen 20 Prozent gelte allerdings weiter der Marktpreis. Doch: Unternehmen bekommen bei Börsenstrompreisen über 6 Cent die Differenz auf Basis des durchschnittlichen jährlichen Börsenstrompreises erstattet.
Doch Subventionen können derartige Fehlplanungen nicht ausgleichen. So hält der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) die Idee des Brückenstrompreises für abwegig. VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann: „Zweifellos ist der Strompreis für die Industrie hierzulande so hoch, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit leidet. Eine pauschale, drastische Subventionierung des Strompreises für energieintensive Unternehmen ist jedoch ein Irrweg. Denn eine Subvention mit der Gießkanne, wie sie für die kommenden Jahre als sogenannter Brückenstrompreis vorgesehen ist, belastet die Bundesfinanzen und damit die Wirtschaft inklusive des Maschinen- und Anlagenbaus ebenso wie die Bürger.“
Kritik kommt auch vom Bund der Steuerzahler. Präsident Reiner Holznagel betonte gegenüber der Funke-Mediengruppe: „Die Politik kann nicht einerseits das Stromangebot ohne sachliche Not verknappen – Stichwort AKW-Ausstieg – und andererseits höhere Strompreise runtersubventionieren und zugleich Bürger und Unternehmen in eine stromintensive Transformation mit Blick auf Wärmerzeugung, Mobilität und Industrieproduktion zwingen. Finanzpolitisch betrachtet kann nicht vorhandenes Steuergeld auch nicht doppelt und dreifach für Subventionsoffensiven verplant werden.“ Holznagel sieht ein aktuelles Rekordhoch bei den Finanzhilfen, man müsse wohl jahrelang „auf Pump“ agieren. Zusätzlich sei die Regierung nicht in der Lage, eine verbindende Strategie von Energie- und Wirtschaftspolitik zu entwickeln.
Der ganze verquaste und undurchdachte energiepolitische Ansatz der regierenden Koalition und ihrer unseligen Vorgängerin zeigt sich besonders deutlich in der Tatsache, dass Deutschland offenbar bei der Stromerzeugung mittlerweile von seinen Nachbarn abhängt. Manchmal auch komplett, wie auf Achgut.com zu lesen ist: „Das hat es so noch nicht in Deutschland gegeben. Zogen die Stromimporte ab Mai bereits in den vergangenen Jahren aus CO2-Ersparnis und ökonomischen Gründen regelmäßig an, so waren sie doch moderat. Die 19. Kalenderwoche 2023 stellt einen neuen Rekord dar. Praktisch [wurde] die komplette Kalenderwoche fast ohne Unterbrechung Strom aus dem benachbarten Ausland importiert.“
Autor: Dr. Dirk Spaniel ist seit 2017 Bundestagsabgeordneter für die Alternative für Deutschland. Er ist verkehrspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion. Nach dem Abitur studierte er in Clausthal-Zellerfeld Chemieingenieurwesen und an der RWTH Aachen Maschinenbau. Promotion 2003. Spaniel lebt mit seiner Familie in Stuttgart und in Berlin. Davor Auslandsaufenthalte in Detroit (USA) und Sao Paulo (Brasilien). Zuletzt arbeitete Spaniel in der Entwicklung eines großen Automobilherstellers. In Recherche D, Heft 18, findet sich ein Interview mit ihm.