Der Ökonom Niko Paech ist im Gespräch. Im aktuellen Rummel um das Klima avanciert der Siegener Professor zum gefragten Talk-Show-Gast und Interviewpartner. Mit im Gepäck hat er seine Thesen zur „Postwachstumsökonomie“, die er bereits im Jahr 2012 unter dem Buchtitel Befreiung vom Überfluss entfaltete.
Inzwischen hat sich zumindest das politische Klima zugunsten Paechs Thesen gewandelt. Klima-Aufregung und Alarm-Rhetorik durchziehen den Äther des öffentlichen Gesprächs, wie pappbeschilderte Schüler die Straßen der Städte: Sieben Jahre nach der Veröffentlichung ist Befreiung vom Überfluss nun das Buch der Stunde.
Der Ansatz Paechs geht zunächst von dem trivialen, aber deshalb nicht weniger wichtigen Befund aus, daß wirtschaftliches Wachstum seine Grenzen hat: Endliche Ressourcen, begrenzte Tragfähigkeit der Erde und ein unbeherrschbares Finanzsystem. Wo die unbedingte Jagd nach Profit der archimedische Punkt des Wirtschaftens ist, wird der Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur und unter den Menschen selber gestört.
Umso mehr, je globalisierter die Wirtschaft ist: Gerodete Regenwälder, ein vergilbtes Himmelszelt und Mikroplastik in den tiefsten Schluchten der Meeresgräben sind der Preis für glänzende Wachstumskurven und ein Leben in verschwenderischem Überfluß.
Weniger arbeiten, um Konsum zu drosseln?
Paech plädiert nun für einen Rückbau von Industrie und Infrastruktur. Zudem will er eine drastische Öko-Steuer und eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 20 bis 30 Wochenstunden, um über entsprechend verknappte Einkommen den Konsum zu drosseln. Die Mitglieder der „Postwachstumsgesellschaft“ nutzen den Zeitgewinn für Gemüseanbau und Recycling von Gebrauchsgegenständen, die die Überflußgesellschaft noch bedenkenlos wegwirft.
Wo es geht, werden Waren getauscht, statt gekauft – in der „Share-Economy“ überlegt man zweimal, was in die Tonne wandert. Die dem Wachstum Entwachsenen leisten bewußten Verzicht und konsumieren mit Bewußtsein. Sie werden zu „Prosumenten“, Ethikern des Verbrauchs, vor Warenschränken, die die Urnen eines täglichen Plebiszits gegen das Wachstumsdogma sind – freilich eines in offener Abstimmung, und nach der Vorstellung Paechs unter den wachsamen Augen des Nachbarn, der es schon verstanden hat.
Solidarität erfordert Arbeit
Recherche Dresden meint: Die Kritik an der Wachstumsideologie und den Folgen der ungehemmten Globalisierung gehen zum Teil in die richtige Richtung, wenngleich die Bevormundung des Nachbarn völlig inakzeptabel ist. Weil es hier tatsächlich gewisse Schnittmengen bei Stichworten wie der „Kultur der Reparatur“ und „Ökonomie der Nähe“ zwischen Paech und konservativen Vorstellungen gibt, verorten ihn manche im „braun-grünen Sumpf“.
Der Fokus auf die Region und das Nachdenken über verantwortungsvolles Konsumverhalten sind wichtige Ansätze. Konsum ist immer auch Ausdruck von Kultur. Es spielt deshalb selbstverständlich eine Rolle, ob ich mit meinen Kindern regelmäßig zu McDonalds gehe oder sie erleben, wie Gemüse angebaut und verarbeitet wird. Statt auf die Bevormundung des Nachbarn zu setzen, sollte es jedoch um eine gute Erziehung zur Mündigkeit gehen. Das ist Aufgabe der Eltern.
Paechs Lösungen erliegen zudem der Versuchung, ein utopisches Luftschloß zu malen. Die drastische Arbeitszeitverkürzung klingt zwar angenehm, würde aber eine Kaskade an höchst unangenehmen Folgen provozieren: Zum Beispiel würde das Rentensystem wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Wer würde den Sozialstaat finanzieren? Wäre die Postwachstumsgesellschaft auch eine Post-Solidargesellschaft? Eine Antwort bleibt Paech schuldig.
Ebenfalls ist der Konnex zwischen geringerem Einkommen und besserem Umweltschutz im Sinne Paechs ein Irrläufer. Tatsächlich verhält es sich genau andersherum: Je ärmer ein Land, desto unterentwickelter ist der Umweltschutz. Dies lässt sich gut an den frühkapitalistischen Entwicklungsländern beobachten, in denen am meisten die Flüsse und Luft verschmutzt werden.
Außerdem: Wie würde der Staat den horrenden Verlust an Steuereinnahmen im Falle einer von Paech geforderten Deindustrialisierung kompensieren? Welchen Einfluß hätte dies auf die Innovations- und Handlungsfähigkeit des deutschen Umweltschutzes? Die Deindustrialisierung und Verarmung Deutschlands würde dem Umweltschutz nicht nützen, sondern ihm das Genick brechen.
Mit Öko-Steuer wurden Rentenlöcher gefüllt
Fraglich erscheint auch der Nutzen der derzeit viel beschworenen CO2-Steuer. Bereits die vor 20 Jahren unter Rot-Grün eingeführte Umweltsteuer verpuffte wirkungslos: Laut einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sei durch die Steuer keine Senkung des Energieverbrauchs eingetreten. Einzig die Rentenkasse profitiert, der jährlich 20 Milliarden Euro aus der ökologisch nutzlosen Ökosteuer zugespült werden.
Eine CO2-Steuer wäre nur ein weiterer Seitenarm, der ins staatliche Steuerdelta mündet und von dort beliebigen Zwecken zugeteilt werden kann. Eine solche weitere Verkomplizierung und Bürokratisierung des ohnehin ausufernden deutschen Steuersystems hilft der Umwelt kein bißchen.
Und wie bei fast jeder Steuer: Belastet werden insbesondere Otto Normal- und Geringverdiener, der „kleiner Mann“, der sich ICE-Fahrten oder ein Elektroauto nicht leisten kann und in Zukunft vielleicht auch noch auf den hart erarbeiteten Mallorca-Urlaub verzichten muß, während Gutverdiener ungehemmt auf Kosten ihrer Unternehmen weiterfliegen.
(Bild: Niko Paech, von: Marcus Sümnick, CC BY 3.0)