Verein Journalismus und Wissenschaft

Zweiter Lockdown: Losgelöster Blindflug?

Von Hans Peter Stauch. Die bun­des­deut­sche Regie­rungs­mann­schaft betä­tigt sich ohne ech­te Not als Tal­fahrt­be­schleu­ni­ger für die deut­sche Volkswirtschaft.

Die öko­no­mi­schen Schä­den und Ver­wer­fun­gen, die das Kri­sen­ma­nage­ment der Bun­des­re­gie­rung ver­ur­sacht, sind momen­tan nur erahn­bar. Mar­cel Fratz­scher, Öko­no­mie-Pro­fes­sor an der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät und Prä­si­dent des Deut­schen Insti­tuts für Wirt­schafts­for­schung (DIW) in Ber­lin, ist nicht nur staat­lich besol­de­ter Hoch­schul­leh­rer, son­dern auch mit dem DIW Mit­glied der Leib­niz-Gemein­schaft, deren Insti­tu­te cir­ca 20.000 Mit­ar­bei­ter umfas­sen und über einen Gesamt­etat von 1,9 Mil­li­ar­den Euro (2018) verfügen.

Da will man viel­leicht aus finanz­tak­ti­schen Grün­den im Gespräch mit der zwangs­ge­büh­ren­fi­nan­zier­ten TV-Sen­dung Tages­schau sicher eher den Ball flach hal­ten, wes­halb Frat­scher auch ganz regie­rungs­kon­form am 29. Okto­ber 2020 äußerte:

Die Plei­te­wel­le wird kom­men. Die Fra­ge ist, wie stark sie sein wird. Auch hier gilt: Je schlim­mer die zwei­te Coro­na-Wel­le, des­to mehr Fir­men­plei­ten wird es geben. Für Unter­neh­men ist Zeit der kri­ti­sche Fak­tor. Wenn wir das Virus in den nächs­ten vier Wochen stop­pen, wird der wirt­schaft­li­che Scha­den begrenzt blei­ben. Wenn nicht, dann hal­te ich es für recht wahr­schein­lich, dass die deut­sche Wirt­schaft wie­der in den Abschwung gerät.“ 

Mit der Zahl der Unter­neh­mens­in­sol­ven­zen wird auch die der Arbeits­lo­sen stei­gen. Die­se Ent­wick­lung wird aller­dings momen­tan durch die Kurz­ar­beit abge­mil­dert, respek­ti­ve geschönt. Und höchst­vor­sorg­lich ergänzt der Öko­nom: „Auch 2021 wer­den wir ja wahr­schein­lich noch kom­plett mit dem Virus leben müssen.“

Steuer-Erhöhungen in der Krise?

Düs­te­re Aus­sich­ten, die mit Sicher­heit nicht über Steu­er­erhö­hun­gen, Coro­na-Abga­ben oder eine „Rei­chen­steu­er“ finan­ziert wer­den kön­nen, auch wenn sie vom Ber­li­ner Pro­fes­sor ins Spiel gebracht wer­den. Steu­er­erhö­hun­gen hält er zwar für unab­ding­bar, den Zeit­punkt der Dis­kus­si­on aber für „gefähr­lich“.

Nun hat das DIW „errech­net“, oder bes­ser gesagt: pro­phe­zeit, dass der Teil-Lock­down die deut­sche Wirt­schaft rund 19,3 Mil­li­ar­den Euro kos­ten könn­te. Es ist zu lesen, dass mit „Ein­bu­ßen von 5,8 Mil­li­ar­den Euro Gas­tro­no­mie und Hotels am här­tes­ten betrof­fen (sind). Das wäre ein Ver­lust von 55 Pro­zent der übli­chen Wirt­schafts­leis­tung in einem Vierteljahr.“

Und: „Die Berei­che Sport, Kul­tur und Unter­hal­tung müs­sen dem­nach einen Rück­gang von 2,1 Mil­li­ar­den Euro ver­kraf­ten, den Han­del kos­tet der zwei­te Lock­down 1,3 Mil­li­ar­den Euro. Die deut­sche Indus­trie muss mit einem Minus von 5,2 Mil­li­ar­den Euro rech­nen. Ein Groß­teil der übri­gen Ver­lus­te ent­fällt auf Unter­neh­mens­dienst­leis­ter, Logis­tik­un­ter­neh­men und auch Kinobetreiber.“

Der sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Finanz­mi­nis­ter Olaf Scholz ver­tei­digt die dras­ti­schen Lock­down-Maß­nah­men der Bun­des­re­gie­rung als „Gesund­heits­vor­sor­ge“, bei der nie­mand für das bestraft wer­den wür­de, was er in der Ver­gan­gen­heit gemacht hat, son­dern bei der die Maß­nah­men des­we­gen so gestal­tet sei­en, weil man schlich nicht wis­se, „wo die Anste­ckun­gen stattfinden“.

Scholz kün­digt ange­sichts der lang­fris­ti­gen Coro­na-Stra­te­gie der Bun­des­re­gie­rung an, dass es auf län­ge­re Zeit Beschrän­kun­gen für die Bevöl­ke­rung geben könn­te. „Das wird die­ses und auch das nächs­te Jahr noch so sein“, sag­te der SPD-Poli­ti­ker im TV und füg­te hin­zu: „Solan­ge die Zah­len nicht sin­ken, wird es immer Beschrän­kun­gen geben.“

Zahlen, die Angst machen …

Dabei ver­tei­dig­te der Finanz­mi­nis­ter die ange­kün­dig­ten finan­zi­el­len Hil­fen für die betrof­fe­nen Wirt­schafts­be­rei­che, sprach sich aber nicht für eine Ver­län­ge­rung oder Erwei­te­rung des bereits bestehen­den Kon­junk­tur­pa­kets aus, da dies längst lau­fe und Wir­kung zei­ge, was die kon­junk­tu­rel­len Daten wider­spie­gel­ten. Noch im Juni die­ses Jah­res hat­te der frü­he­re Prä­si­dent des ifo-Insti­tuts, der Öko­nom Hans-Wer­ner Sinn, zu den Kon­junk­tur­pro­gram­men der Bun­des­re­gie­rung für die Über­win­dung der wirt­schaft­li­chen Ein­brü­che in Deutsch­land durch die virus­be­ding­te Kri­se gemeint: „Sol­che Volu­mi­na wur­den noch nie bewegt. Die Zah­len machen Angst.“

In jedem Fall wohl rich­tig ist: Die gesamt­wirt­schaft­li­chen Fol­gen der Coro­na-­Pan­de­mie las­sen sich aktu­ell nicht seri­ös in Zah­len andeu­ten. Ledig­lich ange­nom­me­ne Sze­na­ri­en kön­nen durch­ge­rech­net wer­den. Das aller­dings klärt ange­sichts der mas­si­ven Ein­schnit­te im sozia­len und öko­no­mi­schen Leben der Deut­schen nicht die Fra­ge, ob die von der Bun­des­re­gie­rung ver­ord­ne­ten Maß­nah­men tat­säch­lich alter­na­tiv­los waren und sind.

Ausschaltung des Parlaments

Viel zu sehr ver­mis­sen wir Bür­ger die Aus­ein­an­der­set­zung der poli­ti­schen Ent­schei­der mit den tat­säch­li­chen Fak­ten und Zah­len zur Lage, mit von wis­sen­schaft­li­cher Sei­te vor­ge­tra­ge­ner Kri­tik und ange­reg­ten Kor­rek­tu­ren, sowie natür­lich auch mit den juris­ti­schen Pro­blem­stel­lun­gen rund um eine Ver­ord­nungs­po­li­tik, die das Par­la­ment zur belie­big ein­schalt­ba­ren „Quas­sel­bu­de“ degra­diert und nur im geneh­men Fal­le anruft, bezie­hungs­wei­se als Instanz beschäftigt.

Es scheint, als ob unab­hän­gi­ger ärzt­li­cher Rat­schlag nichts gel­te und als ob die Exe­ku­ti­ve als Allein­herr­sche­rin die Gewal­ten­tei­lung abge­löst hät­te. Mit ande­ren Wor­ten: Demo­kra­tie und unab­hän­gi­ge Wis­sen­schaft sind Kopf­lo­sig­keit und Des­po­tis­mus in Mer­kel-Deutsch­land gewi­chen. Dar­un­ter lei­det nicht nur die deut­sche Wirtschaft.

Zur Per­son: Hans Peter Stauch ist AfD-Land­tags­ab­ge­ord­ne­ter in Baden-Württemberg.

(Bild: Pix­a­bay)

Aktuelle Beiträge