Die EU ist in der Krise. Verschuldungsmechanismen säen Zwietracht zwischen den Völkern, Brüssel versinkt in kleinlicher Bürokratie und verspielt ideenlos Europas politische Bedeutung in der Welt. Mit den bevorstehenden Wahlen werden die Karten neu gemischt: Können die Webfehler der EU noch korrigiert werden?
Ein Kardinalfehler in der EU-Konstruktion ist die Steuerpolitik. Für vieles gibt es gemeinsame Maßstäbe und Regelwerke. Angefangen bei der Währung bis zu skurrilen Verordnungen zu Kondomen und den korrekten Maßen einer Pizza.
Einheitliche Steuersätze gibt es hingegen nicht. Mit fatalen Folgen: Umso höher die Steuerlast eines Landes, desto größer der Finanzierungsbeitrag zum EU-Haushalt. Paradebeispiel Deutschland: Deutsche Bürger leiden unter einer der weltweit höchsten Abgabenquoten und müssen dann dabei zusehen, wie ihre Steuergelder in Länder mit weit niedrigeren Steuersätzen fließen.
Die Autoren Matthias Weik und Marc Friedrich fragen dazu passend bei Telepolis: „Warum musste 2017 eine deutsche Familie mit zwei Kindern und einem Verdiener im Schnitt 21,7 Prozent Steuern bezahlen und eine irische Familie nur 1,2 Prozent und eine polnische sogar ‑4,8 Prozent? Wie viel würde Deutschland eigentlich als größter Nettozahler an die EU überweisen, wenn wir in Deutschland irische Steuersätze hätten?“
Weik und Friedrich prognostizieren nach der EU-Wahl nichts Geringeres als ein „großes Beben“. Die „Noch-Volksparteien“ würden nun die Rechnung für ihre bürgerfeindliche Politik bekommen. Angela Merkel könnte schon nächste Woche verrentet sein, so das Autorenpaar.
Ein Beben könnte die EU-Institutionen vielleicht noch aus dem geopolitischen Tiefschlaf reißen. Auf dem internationalen Parkett steht die EU ohne visionäre Entwurfe und zukunftsweisende Großprojekte dar. Andere Wirtschaftsräume ziehen vorbei: Zu gigantischen Infrastrukturprojekten wie der Neuen Seidenstraße (China) ist EU-Europa unfähig geworden.
Es ist – im Gegensatz zu China und den USA – nicht mehr in der Lage „in großen Dimensionen zu denken“, wie der Sinologe Marcus Hernig im Recherche D-Interview bemerkte. In Bürokratie und Machbarkeitsstudien verzettelt, scheitern selbst schlichtere Unterfangen, wie ein Flughafenbau (BER) oder flächendeckende Glasfaserverkabelung.
Das hohle Pathos vom „Friedensprojekt“ hilft da auch nicht weiter. Ein realistischer Blick auf das Versäumte und Machbare muß her. Die wirtschaftspolitischen Grundlagen der EU müssen reformiert werden, so daß sich die europäischen Völker nicht mehr als Schuldner und Gläubiger gegenüberstehen. Der europäische Binnenmarkt ist zu fördern, eine Schulden- und Transferunion abzulehnen.
Europa muß sich zudem seiner Rolle als weltpolitischer Akteur wieder bewußt werden. Es muß lernen in geostrategischen Dimensionen zu denken, ohne das Subsidiaritätsprinzip dabei aus den Augen zu verlieren. Es braucht mutige Großprojekte – etwa zur Ressourcensicherung – und eine entschlossene Politik der Kultur- und Identitätssicherung. Dazu zählt auch eine effektive Grenzsicherung und Schutz vor außereuropäischer Masseneinwanderung.
(Bild: Pixabay)