Laut einer aktuellen McKinsey-Studie ist Deutschland ein Spitzenreiter beim Paketversand. Jeder Deutsche erhält im Schnitt 24 Pakete pro Jahr. Damit liegen die Bundesbürger weit vor ihren europäischen Nachbarn, wie den Österreichern mit 14, den Niederländern mit zwölf oder den Schweden mit sechs Paketen pro Jahr.
Die klassische Logistikbranche kann vom Boom des Online-Handels jedoch nicht profitieren. Laut den Studienautoren werden diese allmählich von Mega-Konzernen wie Amazon ausgebootet, die verstärkt eigene Lieferstrukturen aufbauen. Dabei geben Billig- und Gratislieferungen den Takt vor. Die klassischen Zusteller, die von den Erträgen ihrer Dienstleistungen leben, hängen immer weiter zurück. Ihre Funktion wird von mächtigen Monopolisten übernommen.
Paket-Bequemlichkeit und Marktmonopolisierung richten auch auf kulturellem Gebiet Schäden an. Warenkauf per Klick ersetzt den Weg zum „Laden um die Ecke“. Dem stationären Einzelhandel bleibt die Kundschaft aus. Insolvenzen und ausblutende Innenstädte sind die Folge. Die Stadtzentren verlieren Attraktivität sowie ihren Charakter als sozialer und ökonomischer Knotenpunkt.
Wer möchte schon vor leeren Schaufenstern flanieren und wer reist in einen Ortskern, um in Shisha-Bars, Wettbüros und Ein-Euro-Shops Visite zu machen? Eine soziale Abwärtsspirale ist hier vorauszusehen: Denn wer wagt vor diesem Hintergrund noch den Sprung in die Selbständigkeit als Ladenbetreiber? Ein fataler Kreislauf, gerade für viele kleinere Städte, die oft über „intakte“ Altstädte verfügen, und auf die Erträge durch auswärtige Besucher angewiesen sind.
Die Paketflut ist auch ein ökologisches Problem. Eine Radaransicht aus der Vogelperspektive, die die Kleintransporter der Paketzusteller erfasst, böte ein Gewimmel an leuchtenden Punkten auf den Straßennetzen. Gerade in Ballungszentren fließen die Millionen Lieferfahrten in den ohnehin überlasteten Verkehr. Emissionstechnisch schlägt dabei die Endkundenlieferung über die „letzte Meile“ besonders zu Buche. Im Land des »grünen Bürgertums« will man von Umweltbelastungen nicht sprechen, wenn es den eigenen Konsum betrifft.
Recherche D meint: Hinter den Online-Handel führt kein Weg zurück. Im Gegenteil: Der Online-Anteil am gesamten privaten Handelsvolumen wird weiter steigen. Gerade deshalb muss die wachsende Paketflut begrenzt werden. Ein »Weiter so« gefährdet Existenzen, ruiniert die Lebensqualität unserer Städte und schadet der Umwelt.
Denkbar sind obligatorische Mindestgebühren für den Nahversand, so daß sich Käufer zwei Mal überlegen, ob sie eine Zahnbürste per Kleintransporter anliefern lassen. Hier wäre der Gesetzgeber gefragt. Unter einer festzulegenden Wertschwelle würden Lieferkosten anfallen, die Käufer motivieren, den „Laden um die Ecke“ aufzusuchen.
Kontraproduktiv ist natürlich die staatliche Umschmeichelung von Mega-Konzernen durch indirekte Subventionen. Wenn Großinvestoren mit Geldbündeln fächern, darf der Staat nicht die kleinen Unternehmen vergessen, die immer noch das Rückgrat der Volkswirtschaft bilden. So wie das rot-rote Brandenburg, daß dem neuen Amazon-Logistikzentrum in Kiekebusch sogar noch eine eigene neue Autobahnzufahrt vor die Füße legen will.
Aber damit ist es nicht getan. Auch der stationäre Einzelhandel muss sich bewegen. Lethargie und Frust sind verständlich, müssen aber vor neuen innovativen Konzepten und Verkaufsstrategien weichen. Ein immobiles Geschäft verfügt über den Vorteil, dem Kunden mehr Reize zu vermitteln, als nur optisch-emotionale wie die Mattscheibe. Vielleicht geht man demnächst eher zum örtlichen Buchhändler, weil sich dort Lesekreise versammeln; vielleicht geht man eher zum örtlichen Textilhändler, weil damit der Brunnenbau im Dorf unterstützt wird – und obendrein der Kaffee ausgezeichnet schmeckt.
Zuvörderst muss aber die „Paket-Mentalität“ abgebaut werden. Es braucht eine Sensibilität für die Folgenkaskade der Paket-Bequemlichkeit. Als patriotisches Wirtschaftsmagazin glauben wir, daß ein emphatisches Heimatbewußtsein hierfür grundlegend ist.
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(Bild: Pixabay)