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Was Friedrich Merz bei seiner „Kultur des Sparens“ vergessen hat

Fried­rich Merz (CDU) wirbt in der ZEIT für eine neue deut­sche Spar­kul­tur und hat damit ein beträcht­li­ches Echo von über 2.000 Kom­men­ta­ren aus­ge­löst. Im Kern for­dert er: Deut­sche sol­len ihre Pri­vat­vor­sor­ge stär­ker über Akti­en steu­ern. Inves­tie­ren statt Geld in Spar­bü­chern horten.

Mehr Kapi­tal­ein­satz sta­bi­li­sie­re die markt­wirt­schaft­li­che Ord­nung und stär­ke die sozia­le Infra­struk­tur. Zudem: Wür­den die Bür­ger am Gewinn der Unter­neh­men betei­ligt, stie­ge ihre Akzep­tanz gegen­über Wirt­schafts­ord­nung und Demo­kra­tie, so Merz.

Recher­che D meint: Der Ansatz berührt eine wich­ti­ge Fra­ge, umschifft aber die wirk­lich bri­san­ten Pro­blem­fel­der. Rich­tig ist, daß die Deut­schen ein „Volk von Akti­en­muf­feln“ sind. Wäh­rend in ande­ren west­li­chen Län­dern fast jeder Zwei­te Akti­en besitzt, ist es in Deutsch­land nur jeder Sechs­te. In Mit­tel­deutsch­land sind es sogar unter fünf Pro­zent der Bevölkerung.

Die deut­sche Scheu vor dem Kapi­tal­markt ist ein Pro­blem. Auch CDU-geführ­te Regie­run­gen haben hier lan­ge weg­ge­se­hen. Eine kapi­tal­markt­ori­en­tier­te Vor­sor­ge­pflicht, über die Merz sin­niert, ist aber aus meh­re­ren Grün­den der fal­sche Weg: Zum einen ent­läßt sie den Staat aus sei­ner Ver­ant­wor­tung, die er mit der gesetz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung ein­ge­gan­gen ist. Wer in die gesetz­li­che Ver­si­che­rung ein­zahlt, muß auch abge­si­chert sein. Hier gibt es kein „Wenn und Aber“. Zum ande­ren bedeu­tet Markt­wirt­schaft immer die freie Wahl von Geld­an­la­gen. Es muß also Zin­sen geben, denn sonst wer­den defen­si­ve Spa­rer enteignet.

Was Merz ver­schweigt: Die unter­ent­wi­ckel­te Akti­en­kul­tur ist vor allem wegen der EZB-Null­zins­po­li­tik fatal. Gera­de defen­si­ve Geld­an­la­gen, wie das Spar­buch – auf das so vie­le Deut­sche ver­trau­en – wer­den von der Infla­ti­on beson­ders hart getrof­fen. Durch die­se schlei­chen­de Ent­eig­nung haben die Deut­schen in den letz­ten zehn Jah­ren bereits 648 Mil­li­ar­den Euro ver­lo­ren. Die­ses hei­ße Eisen packt Merz nicht an.

Lie­ber macht er sich einen schlan­ken Fuß, als sich beim The­ma EU die Fin­ger zu ver­bren­nen. Denn: Wür­de die EZB ihre Null­zins­po­li­tik been­den, wären Staa­ten wie Ita­li­en plei­te und der Euro wür­de zer­fal­len. Dies gehört zur Wahr­heit dazu.

Auch auf die mas­si­ve Absen­kung des Spa­rer­frei­be­trags – ins­be­son­de­re in der Mer­kel-Ära – geht Merz nicht ein. In den 1990er Jah­ren waren Ein­künf­te aus Kapi­tal­ver­mö­gen bis zu 6.000 DM (3.068 EUR) steu­er­frei. Der heu­ti­ge soge­nann­te Steu­er­pausch­be­trag liegt nur noch bei 801 Euro pro Per­son. Wer also, wie Merz es will, sein bereits ver­steu­er­tes Ein­kom­men als Alters­vor­sor­ge in Akti­en inves­tiert, wird dop­pelt besteu­ert. Wäh­rend­des­sen wer­den Rei­che, die nur von Kapi­tal­ein­künf­ten leben kön­nen, bevor­zugt behan­delt, da die Kapi­tal­ertrags­steu­er für sie nied­ri­ger ist, als die Ein­kom­men­steu­er es wäre. Die­se Unge­rech­tig­keit hät­te Merz the­ma­ti­sie­ren müs­sen, sich es damit aber wohl mit sei­nen Black­rock-Freun­den verscherzt.

Mer­zens CDU hat deut­schen Spa­rern jahr­zehn­te­lang Knüp­pel zwi­schen die Bei­ne gewor­fen und sie der EZB-Null­zins­po­li­tik aus­ge­lie­fert. Für eine neue Spar­kul­tur reicht sein aktu­el­ler Vor­stoß auf sam­te­nen Pfo­ten des­halb bei wei­tem nicht aus.

Recher­che Dres­den for­dert eine Anhe­bung des Spa­rer­frei­be­trags auf ein Niveau, das deut­lich über dem der 1990er-Jah­re liegt. Nur dann kann Alters­vor­sor­ge mit Akti­en bei gleich­zei­ti­ger demo­gra­phi­scher Abwärts­spi­ra­le gelingen.

(Bild: aicgs, flickr, CC BY-NC-ND 2.0)

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