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Was reißt die neue Volkspartei des Ostens?

Am Sonn­tag wird in Bran­den­burg und Sach­sen gewählt. In bei­den Bun­des­län­dern wird eine schwie­ri­ge Regie­rungs­bil­dung erwar­tet. Die AfD hat sich wie ein Keil in die alte Par­tei­en­land­schaft gescho­ben und wird in Bran­den­burg mög­li­cher­wei­se stärks­te Kraft und in Sach­sen nur knapp hin­ter der CDU auf dem zwei­ten Platz landen.

Die CDU und beson­ders die SPD kön­nen sich auf mas­si­ve Ver­lus­te ein­stel­len, wäh­rend sich die AfD-Stim­men in Bran­den­burg fast und Sach­sen vor­aus­sicht­lich mehr als ver­dop­peln werden.

Die AfD ist im Osten eine neue Volks­par­tei, womög­lich die »Volks­par­tei des Osten«. Sie ist zwar im Auf­wind, aber noch lan­ge nicht am Steu­er. Den­noch wird eine star­ke AfD die eta­blier­ten Par­tei­en zu immer abstru­se­ren Koali­tio­nen zwin­gen. Für Sach­sen gilt mitt­ler­wei­le eine schwarz-rot-grü­ne Regie­rung am wahr­schein­lichs­ten. Laut aktu­el­ler INSA-Umfra­ge käme aber auch die­se soge­nann­te „Kenia-Koali­ti­on“ nur auf 48 Pro­zent. Lücken­fül­ler könn­te die FDP spie­len, deren Ein­zug in den Land­tag aber auf der Kip­pe steht. Mit einer schwarz-rot-grün-gel­ben Split­ter­ko­ali­ti­on könn­ten sich die alten Eli­ten noch ein­mal über Was­ser hal­ten – vorerst.

Damit ste­hen Sach­sen die schlech­tes­ten aller denk­ba­ren Vari­an­ten bevor. Auch weil dem bür­ger­lich-oppo­si­tio­nel­le Lager durch FDP (5%) und Freie Wäh­ler (4%) ins­ge­samt neun Pro­zent ver­lo­ren­ge­hen. An einer AfD weit jen­seits der 30 Pro­zent-Mar­ke käme auch die CDU dann nicht mehr vorbei.

Statt­des­sen wer­den die Grü­nen durch eine Regie­rungs­be­tei­li­gung struk­tu­rell und finan­zi­ell künst­lich auf­ge­päp­pelt und gemein­sam mit der SPD auf eine wei­te­re Links­ver­schie­bung der CDU hin­wir­ken. Die­se muss dem lin­ken Lager weit­rei­chen­de Kon­zes­sio­nen machen, um ihren Macht­er­halt zu sichern. Die Fol­gen: Was noch kürz­lich durch die Mega­pho­ne bei „Unteil­bar“ und „Fri­days for Future“ ertön­te, wird auf Regie­rungs­ebe­ne den Takt vor­ge­ben – aber auch die Geduld der ver­blie­be­nen CDU-Basis end­gül­tig über­stra­pa­zie­ren. Zer­bricht »Kenia«, heißt der Pro­fi­teur AfD.

Die AfD könn­te auch davon pro­fi­tie­ren, wenn grü­ner Irr­sinn, wie etwa Gen­der- und Mul­ti­kul­ti-Ideo­lo­gie, Land­schafts­zer­stö­rung durch Wind­kraft, der rabia­te Hau­ruck-Koh­le­aus­stieg oder ein unrea­lis­ti­sches Schreib­tisch­kon­zept und Geld­schlu­cker wie die „Mobi­li­täts­wen­de“ unge­fil­tert in die Lan­des­po­li­tik ein­flie­ßen. Mit der Ein­la­dung der Grü­nen in die säch­si­sche Regie­rung spielt die CDU Vabanque.

Da hilft es auch nichts, wenn die Gro­ße Koali­ti­on im Bund weni­ge Tage vor den Ost-Wah­len Gel­der für den Koh­le­aus­stieg reg­nen lässt. Der Gesetz­ent­wurf zum Struk­tur­wan­del zeigt, daß die kli­ma­po­li­ti­sche Devi­se »Schnel­lig­keit vor Gründ­lich­keit« (Jas­per von Alten­bo­ckum) eben nicht nach­hal­tig ist, son­dern den Struk­tur­wan­del schwie­ri­ger, kos­ten­in­ten­si­ver und unge­wis­ser macht.

Zudem impli­ziert die­se Art der För­de­rung eine emi­nen­te Krän­kung; näm­lich: »Ihr schafft es nicht aus eige­ner Kraft«. Konn­te sich etwa die Lau­sitz ges­tern noch als »Ener­gie­ver­sor­ger der Nati­on« ver­ste­hen, soll sie schon mor­gen am »Tropf der Nati­on« hän­gen – und dafür gefäl­ligst noch dank­bar sein. Außer­dem: Wie viel poli­ti­schen Eigen­wil­len kann sich eine eigen­sin­ni­ge Regi­on wie die Lau­sitz künf­tig noch erlau­ben, wenn ihre Zukunft bald in Ber­lin ent­schie­den wird?

Statt Zen­tra­li­sie­rung und Geld­pum­pe wäre Ent­las­tung von Bür­gern und Unter­neh­men der effek­ti­ve­re Weg, um Regio­nen wie die Lau­sitz zu för­dern. Wie Büro­kra­tie­ab­bau sowie Steu­er- und Landra­bat­te struk­tur­ar­me Regio­nen stär­ken und den länd­li­chen Raum – ohne Nivel­lie­rung der Lebens­ver­hält­nis­se – wie­der zu einem attrak­ti­ven Lebens- und Wirt­schafts­raum machen kön­nen, haben wir in unse­rer Stu­die über „Deutsch­lands Pro­blem­zo­nen“ auf­ge­zeigt (abge­druckt in unse­rer aktu­el­len August-Aus­ga­be).

Aber auch die AfD, die im Augen­blick gelas­sen einem guten Wahl­er­geb­nis sowie den anschlie­ßen­den Koali­ti­ons-Bizar­re­ri­en ent­ge­gen­se­hen kann, muss inhalt­lich-kon­zep­tu­ell mehr lie­fern, wenn sie eines Tages das Ruder über­neh­men will – oder muss. Sozi­al- und wirt­schafts­po­li­tisch ste­hen ver­ein­zel­te gute Ansät­ze noch immer im Schat­ten der Abwe­sen­heit strin­gen­ter Kon­zep­te mit hoher Reich­wei­te. Es ist zu hof­fen, daß die pro­gram­ma­ti­schen Arbeits­krei­se der AfD bereits auf Hoch­tou­ren lau­fen, damit der geplan­te Sozi­al-Par­tei­tag im kom­men­den Früh­jahr auch Früch­te tra­gen kann.

(Bild: Ver­ei­ni­gung der Frei­en Medi­en, flickr, CC BY-SA 2.0)

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