Verein Journalismus und Wissenschaft

Das gefährliche System der zwischenstaatlichen Schulden

Die ers­te Aus­ga­be von Recher­che D ist bereits aus­ver­kauft. Um den Inhalt den­noch ver­füg­bar zu machen, ver­öf­fent­li­chen wir hier einen Arti­kel aus dem Heft. Es han­delt sich um eine Rezen­si­on des Buches Finanz­im­pe­ria­lis­mus von Micha­el Hudson:

Wenn Staa­ten unter­ein­an­der Kre­di­te ver­ge­ben, ent­ste­hen gefähr­li­che und lang­fris­ti­ge Abhän­gig­kei­ten. Mit sei­ner Schul­den­fal­len-Diplo­ma­tie („debt trap diplo­ma­cy“) nutzt das Chi­na der­zeit z.B. intel­li­gent aus. Das Reich der Mit­te zeigt sich groß­zü­gig, wenn in Sri Lan­ka, Paki­stan oder Latein­ame­ri­ka gro­ße Infra­struk­tur­pro­jek­te in Angriff genom­men werden.

Erwar­tungs­ge­mäß gelingt es die­sen Län­dern jedoch nicht, die Bau­vor­ha­ben pro­fes­sio­nell durch­zu­füh­ren. Dann kommt Chi­na wie­der ins Spiel, bie­tet Schul­den­er­leich­te­run­gen an und krallt sich dafür die bereits ent­stan­de­nen Sach­wer­te. Auf die­sem Wege gewinnt Chi­na neben­bei den Zugang zu neu­en Märk­ten für sei­ne güns­ti­gen Expor­te, erhält Zugriff auf natür­li­che Res­sour­cen und kann sei­ne geo­stra­te­gi­sche Inter­es­sens­sphä­re ausbauen.

Neu ist die­ses Vor­ge­hen nicht. In sei­nem gera­de auf Deutsch erschie­ne­nen Buch Finanz­im­pe­ria­lis­mus erklärt der Öko­nom Micha­el Hud­son, wie es die USA mit ihrer Stra­te­gie des glo­ba­len Kapi­ta­lis­mus schaff­ten, die Welt zu domi­nie­ren. Aus­schlag­ge­bend dafür sei der Ers­te Welt­krieg gewe­sen. Wäh­rend frü­he­re Krie­ge auf der Basis von Sub­ven­tio­nen geführt wur­den, um Kon­flik­te zwi­schen den sieg­rei­chen Natio­nen zu ver­mei­den, boten die USA ihren euro­päi­schen Part­nern dies­mal nur Kre­di­te an. Die so ent­stan­de­nen Schul­den führ­ten dazu, daß die USA Groß­bri­tan­ni­en und Frank­reich nach dem Welt­krieg in den Wür­ge­griff neh­men konnten.

Erschwe­rend für Euro­pa kam eine pro­tek­tio­nis­ti­sche Poli­tik Ame­ri­kas hin­zu. Die USA ver­lang­ten die Rück­zah­lung der Schul­den, taten zugleich aber alles dafür, um euro­päi­sche Impor­te abzu­weh­ren. Groß­bri­tan­ni­en und Frank­reich konn­ten unter die­sen Bedin­gun­gen ihre Kre­di­te aber nicht zurück­zah­len, was sie wie­der­um dazu moti­vier­te, Deutsch­land unter Druck zu set­zen. Das Ende die­ses Lie­des ist bekannt. Unend­li­ches Leid brach über Euro­pa her­ein, doch was hat­te Ame­ri­ka davon?

Hud­son ver­folgt die The­se, daß die USA von Anfang an das bri­ti­sche Welt­reich zer­schla­gen woll­ten und dies per­fi­der­wei­se als offi­zi­el­ler Ver­bün­de­ter auch schaff­ten. Mög­lich wur­de dies, weil Euro­pa sei­ne öko­no­mi­schen Mög­lich­kei­ten völ­lig falsch ein­schätz­te. Zum einen lag dies an der inter­na­tio­na­lis­ti­schen Aus­rich­tung. 20 bis 25 Pro­zent der euro­päi­schen Natio­nal­ein­kom­men waren an Expor­te gebun­den. Dies mach­te ver­wund­bar, wäh­rend sich die USA auf ihren Bin­nen­markt kon­zen­trier­ten, da sie vor ein­hun­dert Jah­ren ledig­lich drei bis vier Pro­zent ihrer Ein­künf­te aus inter­na­tio­na­lem Han­del bezogen.

Zum ande­ren begrif­fen die Euro­pä­er die „Macht des Schuld­ners“ nicht, der sich die USA dann spä­ter erfolg­rei­cher bedien­ten, als sie sich in ver­lust­rei­che Krie­ge (z.B. Viet­nam) bega­ben. „Die Macht des Schuld­ners beruht auf sei­ner Fähig­keit, das Sys­tem zu bedro­hen und mit einem Zah­lungs­aus­fall sei­ne Gläu­bi­ger zu rui­nie­ren. Ist die­ses Zer­stö­rungs­po­ten­ti­al ein­mal aner­kannt, so kann der Schuld­ner das Recht beu­gen. Die Ver­ei­nig­ten Staa­ten wen­den die­se Stra­te­gie seit Jahr­zehn­ten an, aber die Ent­wick­lungs­län­der, die Län­der der ehe­ma­li­gen Sowjet­uni­on und ande­re Schuld­ner­län­der haben sie noch immer nicht begrif­fen“, so Hudson.

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