In unserem zweiten Heft findet sich ein Interview mit AfD-Chef Jörg Meuthen. Er kritisiert darin das umlagefinanzierte Rentensystem. Inzwischen hat Meuthen außerdem ein eigenes Rentenkonzept vorgestellt. Um die Debatte darüber weiter voranzutreiben, möchten wir heute einen kritischen Leserbrief zu den Äußerungen von Meuthen veröffentlichen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit großem Interesse habe ich die bisherigen Ausgaben Ihres neuen Wirtschaftsmagazins gelesen. Viele Beiträge waren für mich sehr informativ und haben mich auch angeregt, eigene Positionen und Vorstellungen zu überdenken und zumindest teilweise zu modifizieren.
Erstaunt, ja geradezu entsetzt war ich allerdings über die Äußerungen des AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen zum Thema »Finanzierung der Altersrenten«.
Nun ist diese gesamte Fragestellung sehr komplex und in einem vergleichsweise kurzen Interview natürlich auch nicht annähernd erschöpfend zu beantworten.
Aber die wenigen, zugegebenermaßen sehr plakativen Feststellungen Meuthens lassen eine sehr einseitige, aus meiner Sicht den Kern des Problems eher ignorierende Sichtweise erkennen.
Meuthen behauptet allen Ernstes, dass der Faktor Demographie nur wegen des Umlagesystems wichtig sei und offensichtlich kaum eine Rolle spielen würde, wenn ein anderes Finanzierungsverfahren zum Zuge käme.
Hier unterläuft dem AfD-Vorsitzenden in meinen Augen ein elementarer Irrtum.
Nach meiner Überzeugung gilt nämlich das Mackenroth-Theorem weiterhin in vollem Umfang und ist in keiner Weise bislang widerlegt. Es besagt folgendes:
Nun gilt der einfache und klare Satz, dass aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muss. Es gibt gar keine andere Quelle und hat nie eine andere Quelle gegeben, aus der Sozialaufwand fließen könnte, es gibt keine Ansammlung von Periode zu Periode, kein »Sparen« im privatwirtschaftlichen Sinne, es gibt einfach gar nichts anderes als das laufende Volkseinkommen.
Es ist also völlig nebensächlich, ob die Rente aus einer Beitragskasse, aus Steuermitteln oder als Zinseinkommen aus angespartem Finanzkapital finanziert wird, die Rentenzahlungen müssen stets aus dem aktuell erwirtschafteten Volkseinkommen gespeist werden.
Sichere Renten setzen eine florierende Volkswirtschaft mit möglichst vielen gut ausgebildeten und produktiven Beschäftigten auch noch in 30 oder 40 Jahren voraus. Die Zukunft ist prinzipiell unsicher und nur bedingt vorhersehbar bzw. langfristig gestaltbar. Garantien gibt es da nicht, aber es liegt auf der Hand, dass die Chancen erheblich steigen, wenn ein volkswirtschaftlich potentes Gemeinwesen von einem Staatsvolk repräsentiert wird, das über eine historisch, ethnisch, kulturell und sozioökonomisch gewachsene Identität sowie eine gesunde demographische Struktur verfügt, während die Zukunftssicherung ganz wesentlich erschwert wird, wenn das Gemeinwesen ein überaltertes sowie entgrenztes und von erheblichen Fluktuationen geprägtes soziales System darstellt.
Und deshalb spielt die Demographie in der Rentendiskussion eine geradezu schicksalhafte Rolle. Die Finanzierungsfragen (Steuern, Beiträge , kapitalgedecktes Verfahren) sind im Vergleich dazu eher technischer Natur. Schon heute werden unsere im Prinzip beitragsfinanzierten Renten zu rund einem Drittel aus Steuereinnahmen finanziert; es werden also sowohl die Beitrags- als auch die Steuerzahler zur Kasse gebeten.
Eine Kapitaldeckung kann eventuell über eine erhöhte Sparneigung die Produktivität ein wenig erhöhen. Theoretisch ist eine solche Wirkung denkbar, empirische Untersuchungen, die diese Effekte nachweisen, gibt es nach meinem Kenntnisstand bisher allerdings nicht. In jedem Fall ist die Demographie ein nicht wegzudiskutierender Dreh- und Angelpunkt.
Mit freundlichen Grüßen,
Ralph Hoffmann