
Wirbel um Interview mit Helge Peukert
Unter dem Titel »Ein blauer Frosch wäre im Teich der roten Frösche eine Bereicherung.« ist in der ersten Ausgabe unseres Magazins Recherche D ein vierseitiges Interview mit dem Pluralen Ökonomen, Professor Helge Peukert, abgedruckt. Beinahe erwartungsgemäß wurde dies vor wenigen Tagen skandalisiert.
Anstoß erregte jedoch nicht etwa der Inhalt des Gesprächs. Wir haben Peukert zu Finanzkrisen, der Idee des Vollgeldes, der Verbreiterung des Sagbaren in der Volkswirtschaftslehre sowie zur Europäischen Union befragt. Wir betonen dabei ausdrücklich, daß weder wir alle Thesen von Peukert unterschreiben können noch von ihm verlangen, daß er unsere Sichtweisen mit Applaus hofiert.
Der Sinn des Gesprächs war es folglich von Vornherein, sich mit anderen Anschauungen und Argumenten zu befassen. Wir halten überhaupt nichts davon, nur im eigenen Saft zu schmoren. Aus diesem Grund werden wir auch weiterhin mit Andersdenkenden diskutieren und sie interviewen. Gerade dies müßte auch im Sinne der Pluralen Ökonomik sein, der es doch darum geht, Keynesianer, Anhänger der Österreichischen Schule, Marxisten, Wachstumskritiker und Liberale an einen Tisch zu holen. So umschreibt das jedenfalls Peukert in dem skandalisierten Interview.
Patrioten sollen aber anscheinend nicht mitreden dürfen. Diese Diskriminierung empfinden wir als den eigentlichen Skandal, denn so wird das hohe Gut der Meinungsfreiheit zerstört. Aufgrund unserer Selbstverortung wurde Peukert also von verschiedenen Seiten unter Druck gesetzt. Uns liegen dazu auch interne Dokumente vor, die dies belegen. Anderes dagegen ist öffentlich einsehbar, z.B. hier oder hier.
Daraufhin suchte Professor Peukert das persönliche Gespräch mit uns. Leider erreichte er nur unseren Anrufbeantworter. Wir riefen zurück und das Timing war wiederum schlecht, weil wir ihm ebenfalls nur eine Sprachnachricht hinterlassen konnten.
Wenig später erschien dann auf einer Seite der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Siegen, wo Peukert lehrt, eine Stellungnahme von ihm. Darin distanziert er sich von unseren »Gesellschaftsanschauungen und Zielen«. Zugleich, dies möchten wir explizit hervorheben, bestätigt er in dem Schreiben, daß wir journalistisch einwandfrei gearbeitet haben. In sozialen Netzwerken wurden vorher Gerüchte gestreut, wir hätten uns bei Peukert als »Studierende an einer Journalistenschule« ausgegeben.
Ebenfalls trifft nicht zu, daß wir ihn für »neurechte und ›patriotische‹ Zwecke missbraucht« hätten. Erstens nutzen wir »neurechts« nicht als Selbstbeschreibung. Zweitens wird in der Vorbemerkung des Interviews ausdrücklich auf seinen politischen Hintergrund hingewiesen. Recherche D hat es sich zum Ziel gesetzt, ein breites Meinungsspektrum abzubilden. Es gibt kein Dogma, dem wir folgen. Wir sind auf der Suche nach Alternativen zum Globalismus. Wer daran interessiert ist, darf gern in unserer Denkfabrik für Wirtschaftskultur mitarbeiten und eigene Impulse einbringen.
Hier geht es zu Ausgabe 1 von Recherche D! Über eine Bestellung würden wir uns freuen. Die Auslieferung erfolgt in den nächsten Tagen. Abonniert werden kann hier.
PS: Morgen erscheint auf Recherche-Dresden.de ein weiteres, interessantes Interview.
Ein paar Anmerkungen (zur Gegen-Stellungnahme):
1)
Implizit wird (auch hier) angedeutet, dass Prof. Peukert nur aufgrund des öffentlichen Drucks zurückgerudert sei – aber seine jahrelange linksliberalen Publikationen ohne jegliches andocken an konservativen/rechten Positionen machen sein Statement durchaus glaubwürdig – da sind keine sinisteren Establishment-Verschwörungen zur Erklärung nötig, siehe auch:
https://www.blauenarzisse.de/wir-brauchen-ein-patriotisches-wirtschaftsmagazin-hier-ist-es/#comment-319265
Peukert ist kein »feiger Sympatisant«, sondern ein Gegner.
2)
Ob die genauere Info über die Ausrichtung der Publikation nun Hol- oder Bringschuld gewesen ist, kann man ja gerne vertiefen. Und auch was an Inhalten im Interview ist, das ist aber mittlerweile irrelevant:
Denn neben der Queen »Inhalt« ist eben »Kontext = King« – und der ändert sich fließend…
Es handelt sich doch um eine Kontext-Schlacht im öffentlichen Raum: Zunächst ist es Recherche‑D gelungen, sich an einen etablierte Akteur (kritischen Ökonomie-Professor) anzudocken, da ein Interview eigentlich grundlegende Satisfaktionsfähigkeit voraussetzt. Durch die im Zuge der Skandalisierung nun diskutierte offizielle Abgrenzung ist das »soziale Kapital« wieder verspielt.
Als Ergebnis der Affäre bleibt unter dem Strich:
a) für den Prof. in bürgerlichen Kreisen entweder ein kleiner Makel (in Interview mit den Rechten geredet!) oder Achtungserfolg (mutiges Aufstehen gegen Rechts mit Stellungnahme!) und
b) für Recherche‑D ein kleiner PR-Stunt, dessen Bekanntmachungs-Effekt kurzfristig über Besucherzahlen gut messbar sein dürfte, aber langfristig wohl weniger positiv ausfällt als eine weitere prominente »Scharnier-Person«.
3)
Schließlich wurde die Frage aufgeworfen, inwiefern »Pluralismus« als Wert mit dem Ausschluss von einzelnen Positionen vereinbar ist.
Das kann natürlich nur angerissen werden: Unabhängig vom ökonomischen Kontext kann ein Diskurs immer nur auf einer konsensuellen Basis stattfinden. Und hier hängt es eben von den beteiligten ab, welche Basis man wählt. Und hier haben alle der oben genannten ökonomsichen Paradigmen (bei all ihren Differenzen!) eben gemeinsam (einzelne Ausnahmen wird man immer finden) die liberale (bzw. überspitzt: globalistische) Wertebasis – was also im Widerspruch zu einer nationalen (bzw. überspitzt: völkischen) Ausrichtung der Ökonomie steht.
Das Missverständnis lautet damit wohl:
Die Plurale Ökonomie ist eben gar nicht »auf der Suche nach Alternativen zum Globalismus« und daher auch nicht an diesem Diskurs-Angebot »interessiert« …
Und trotz des nachvollziehbaren Bedürfnisses der konservativen/rechten Seite auch am großen bunten Tisch »mitreden zu wollen« ist es wohl im Interesse aller an der Diskussion Beteiligten, diese fundamentale Kontroverse auch nicht zu verschleiern. Hier sind die Machtverhältnisse klar und bis auf weiteres ungebrochen – egal wie man diesen Fakt nun persönlich beurteilen mag.
Wenn der Diskurs nur auf einer »konsensuellen Basis stattfinden« darf (Ihre Worte!), haben wir den Totalitarismus, aber sowas von. Wo ist da noch der Unterschied im Diskurs zum NS oder zur DDR? Die haben auch einen Diskurs auf »konsensueller Basis« gepflegt. Wie kann man nur so einen Mist reden und dann gegen »Faschismus« sein wollen? Da halten wir es mit Hayek: Politische und wirtschaftliche Freiheit gibt es entweder zusammen oder gar nicht.
Kurze Antwort: Jein
Lange Antwort:
Ich habe da nur wissenschaftliches »Einmaleins« angeführt. Aber sicher in der Kürze leicht missverständlich, daher nochmal anders formuliert:
Sofern man nicht unkonstruktive Wortgefechte mit einem konstruktiven Diskurs verwechselt, muss dafür immer eine »gemeinsam akzeptierte« Basis (vielleicht triggert dieses Wort weniger; ) vorhanden sein, auf der man überhaupt disktuieren kann.
Diese Basis umfasst verschiedene Ebenen, u.a. sowohl sprachlicher (z.B. Deutsch), habitualer (den anderen Ausreden lassen, etc.), sowie nicht zuletzt der unterliegend geteilten Motivation/Zielstellgung der Diskussion (z.B. aus Nullsummenspiel eine Win-Win-Situation zu machen). Ist auch nur auf EINER dieser Ebene kein Grundkonsens gegeben, kann auch kaum noch konstruktiv auf den »darauf aufbauenden« Ebenen diskutiert werden (z.B. Streit über den besten Weg hin zu einem geteilten Ziel).
Insofern auch das »Jein« im Bezug auf die Totalitarismus-Assoziation:
Es ist für uns (individuell sehr verschieden!) immer dann »Totalitarismus«, wenn die erwähnte konsensuelle Basis gegen eigene Grundpositionen verstößt, also als »zu hoch« angesetzt erscheint, weil über die nicht geteilten Vorannahmen gar nicht diskutiert werden soll.
Insofern ist es für Konservative/Rechte durchaus totalitär, wenn ihre Hauptmotivation (hier: Anti-Globalismus) eben gar nicht als legitimer Diskussionspunkt von der Mehrheit der Beteiligten anerkannt wird, weil diese Mehrheit sich bereits auf das Gegenteil (hier: Globalismus) als konsensuelle Basis geeinigt hat – und auf dieser Basis »nur«« noch die effizientesten und sozialverträglichsten Strategien diskutieren will wie der Globalismuss gestaltet wird.
Aber das gibt es eben auch umgekehrt, wenn das Totalitarismus-Argument wieder vom Mainstream an den Konservativeen/Rechten Flügel zurückgespielt wird (nur auch einer noch tieferen Ebene), und primär der Rechtfertigung für den gesellschaftlichen Ausschluss rechter Positionen dient.
Nämlich konkret, dass »Nationalisten/Rechte« u.a. eine restriktiverer Auswahl der legitimer Weise am Diskurs beteiligten Menschen treffen ((in Deutschland über Deutschland primär Deutsche), was der Mainstream als Verstoß gegen seine konsensuelle Basis sieht (alle Menschen sollten überall über alles gleich mitreden dürfen – von der sehr linken SJW-Richtung hier mal abstrahiert).
U.A. zeigt sich das dann in der Streitfrage, ob Nicht-Autochone gleiche politische und soziale Rechte haben sollten oder nicht, was ja seit 2015 verschärft ausgefochten wird…
Insofern als Fazit:
Ja, der Totalitarismus-Vorwurf ist durchaus berechtigt – aber korrekter Weise eben gegenseitig berechtigt auf jeweils unterschiedlichen Ebene ; )
PS:
Eine spitze Bemerkung zum libertären Nachklapp verkneife ich mir an dieser Stelle, sehe nur ebenfalls große Bruchlinien zu allem Konservativ/Rechtem und insofern hier etwas fehl am Platz (ist ja eher ein Dreiecks-Konflikt zwischen Links – Libertär – Konservativ/Rechts, und alle Mischformen wie »Links-Liberal« oder »Konservativ-Liberal« haben ihre Paradoxien) …
[…] wurde von links skandalisiert, es folgte eine Distanzierung. Die ganze Geschichte lässt sich hier nachlesen Kurzfassung: In der von Prof. Helge Peukert proklamierten Pluralen Ökonomik soll für […]